Covid19 reduziert uns auf unsere kleine Welt, unsere Kernfamilie, unsere Beziehung, unser Zuhause. Der Virus zeigt uns eindrücklich, wie wichtig die Beziehung zu uns selbst ist. Unser Bewegungsradius wird kleiner, nicht digitale Unterhaltungsangebote schrumpfen. Während die Nähe zum Ich grösser wird, rücken die Mitmenschen in die Ferne. Social Distancing! Plätze, Veranstaltungen, Parks und öffentliche Verkehrsmittel werden zu Sperrzonen. Sicher vor den Viren sind wir einzig in den eigenen vier Wänden. Die Nachfrage nach Gütern, die wir ausserhalb des Hauses brauchen, nimmt ab (Kleider, Parfums, Handtaschen). Dafür konsumieren wir mehr Produkte, die aus unserem Heim einen kleinen Palast machen (Möbel, Gartenartikel, Küchenartikel). Wir reduzieren das Pendeln und Feiern. Ferien machen wir zuhause im Garten, wo wir gleich noch das eigene Gemüse ziehen. Prepper machen sich autark. Sie bereiten sich auf das Schlimmste vor, sind unglaublich misstrauisch. Durch Hamsterkäufe produzieren sie, im Sinne von selbsterfüllenden Prophezeiungen, tatsächliche Versorgungsengpässe. Unseren Nachbarn schenken wir mehr Aufmerksamkeit. Immobilienbesitzer und -verwalter werden zu Communitymanagern. Das kann Gated Communities ebenso stärken wie die Nachbarschaftshilfe und die gegenseitige Solidarität. Siedlungen blühen auf, mit gemeinsamen Yoga-Sessions in der Morgensonne oder selbst betriebenen Bäckereien im Innenhof.
In den digitalen Kanälen, die aus unseren Miniwelten hinausführen, geniessen die Verschwörungstheorien Hochkultur. Wer weiss schon, welche unreinen Hände was berührt haben, wer was im Schilde führt. Wer kann beweisen, woher das Virus kommt? Wer vertraut noch den Regierungen, dem Krisenstab? Sündenböcke werden gesucht. Trump sprach vom China-Virus, in der Geschichte wurden immer wieder Randgruppen für Pandemien verantwortlich gemacht. Auf Facebook rufen Posts dazu auf, nach der Krise nationale Produkte und Dienstleistungen zu kaufen. Das ist gut gemeint, stärkt jedoch ungewollt die Abschottung, die Missgunst, das Missvertrauen. De-Globalisierung könnte ebenso eine Folge der Krise sein wie ein übertriebener Nationalismus. Die aus #Covid19 folgenden Innovationen für unsere kleine Welt sind deshalb einerseits Retro-Innovationen. Sie zelebrieren das Mikro-Unternehmen, das Lokale. Anderseits stärken sie Lieferdienste, die uns Zuhause mit Gütern jeglicher Art versorgen. Davon profitieren Dienstleister, die uns Zuhause massieren, unsere Haustiere medizinisch versorgen und Haare schneiden oder in unserer Küche ein Sternemenü kochen. Ohne digitale Präsenz und dazugehörige Reservationsplattform können sich diese Dienstleister kaum in Szene setzen.
Im Schneckenhaus eingesperrt, müssen wir uns mit uns selbst beschäftigen. Die kleine Welt ist voller iTime. Es entwickeln sich neue Kultur- und Medienformen. Onlineserien spielen in den Wohnzimmer der Schauspielenden, Musikerinnen geben Konzerte in ihren Wohnzimmern. Sie entführen uns in fremde Welten, an fantastische Orte, die jetzt unerreichbar sind. Der Fokus der neu entstehenden Medien liegt auf Daten, Fakten und der Zusammenstellung von Literatur-, Serien- und Filmlisten. Sie überprüfen Wahrheiten, beleuchten ungewohnte Perspektiven, lassen unsere Filterbubble platzen, fassen in Realtime die neuesten Erkenntnisse von Forschenden zusammen. Für die einen wirkt diese Pause beruhigend, der Stress nimmt ab. Man erkennt, wer und was einem wirklich wichtig ist. Andere leiden unter den Fragen, mit denen sie sich plötzlich konfrontiert sehen. Sie können es kaum erwarten, ihr Schneckenhaus in ein Floss umzuwandeln und in die Zukunft zu padeln.