Webers Blick auf KI
In Webers Buch “Das kann doch jemand anderes machen! Wie KI uns alle sinnvoller arbeiten lässt” stehen die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt im Vordergrund – ein zentrales Zukunftsthema, das die bisher analysierten Texte nicht explizit beleuchten. Weber diskutiert aktuelle Trends, stellt Zukunftserwartungen aus Studien vor und formuliert Wünsche an eine bessere, gerechte Arbeitswelt. In diesem Vorhaben geht sie etwas weniger präzise und eng als die bisherigen Autorinnen und Autoren vor, ihr Zugang ist journalistisch, nicht streng wissenschaftlich.
Sara Weber gelingt es in ihrer Auseinandersetzung aber die zentralen Punkte zu benennen, die für das Design einer KI-unterstützten Arbeitswelt entscheidend sind. Das Buch ist vor allem deshalb eine sinnvolle Ergänzung, weil die Arbeitswelt ein Ort ist, wo die Auswirkungen von KI schon heute spürbar werden. Entsprechend emotional sind wir involviert. Es geht nicht nur um einen Grossteil unserer Zeit und damit unsere Identität, sondern auch um unser Einkommen.
Botschaft 1 Eine von KI dominierte Arbeitswelt ist wahnsinnig langweilig
Langeweile droht im Büro der Zukunft zum einen durch unsere Durchschnittlichkeit. Wir sind faul und setzen KI für immer mehr Arbeitsschritte ein. Und weil es mit KI einfacher wird, Inhalte zu kreieren, «wird es viel mehr durchschnittliche Inhalte geben, die das Internet, unsere Inbox und unsere Arbeitswelt fluten» (S. 171). Es sind die synthetischen Inhalte, die bereits Volland in seinem Buch «Overload» behandelte. Als Beispiele führt Sara Weber die Pressearbeit auf, den Journalismus, das Grafikdesign und die Videoproduktion.
Durchschnittlichkeit entsteht, weil die Inhalte digital geglättet werden. Alles sieht ungefähr gleich aus und wird gleich strukturiert, weil alle dieselben Maschinen nutzen und sich kaum jemand getraut, aus dem Rahmen zu fallen. Wissens- und Marketinghäppchen werden so aufbereitet, dass sie die Maschinen verstehen, die Algorithmen fleissig verbreiten und die Nutzer:innen brav liken. Durch den Rechenfleischwolf gedrückt, bleiben die kritischen Stimmen aus, werden Ecken und Kanten abgeschliffen.
Schliesslich warnt Weber vor einer «Boring Apocalypse» einer «Klickwelt aus der Hölle, mit uns als Menschen als Robotern, die als Verbindungsstelle zwischen zwei Maschinen sitzen, als moderne Variante der Telefonistin» (S. 198). In dieser Zukunft (die wohl vielerorts bereits Gegenwart wurde), weisen wir die KIs an, eine Zusammenfassung einer Präsentation (die durch KI generiert wurde) an eine Kollegin weiterzuleiten und einen Termin zu suchen, um die Folien zu besprechen. Das Gegenüber liest aber nicht einmal die Zusammenfassung, sondern weist Chat GPT an, die Zusammenfassung zu zusammenzufassen. Merken wir überhaupt, dass wir selbst Maschinen werden?
Zukunft heisst, Menschen nicht zu Klick-Maschinen zu deformieren. Dazu braucht es Mut, die Maschine nicht zu benutzen, etwas zu posten, das vielleicht nicht viele Likes erhält und sich gegen das “System” ausspricht. KI-freie Zeiten und Räume erhalten die Kreativität – zum Beispiel Offline-Freitage. In der Schulung von KI sollte neben der Effizienz die Qualität von Inhalten Platz haben (z.B. Präzision, Nachvollziehbarkeit, historische Tiefe, Kreativität).
Botschaft 2 Deine Chefin könnte eine KI sein
Weber diskutiert eine Zukunft, in der unsere KIs unsere Chefs sind. Wichtig scheint zunächst zwischen Führung und Management zu unterscheiden. Im sachlichen Management (verstanden als dem Gewichten von Problemen, Themen und Innovationen) könnte es durchaus Sinn machen, KIs zu vertrauen. Diese können nicht nur viel mehr Daten als Menschen verarbeiten, sondern entscheiden auch rationaler. Gerade bei Exnovationen kann diese Rationalität hilfreich sein, weil exponentielle Entwicklungen besser geschätzt und Pfade der Vergangenheit nicht überbewertet werden. Weber argumentiert weiter mit den Kosten in Millionenhöhe, um das Top-Management zu entschädigen. Werden sie durch günstige KI-CEOs ersetzt, müsste aber im Sinne Hararis transparent sein, auf welcher Grundlage KI Entscheidungen trifft.
Schwieriger zu beurteilen wird das Szenario, wenn es um das Führen von Menschen geht. Hier stehen Bedürfnisse im Vordergrund, Menschen wollen gesehen und wertgeschätzt werden, Feedback erhalten und sich entwickeln. Das hat viel mit Gefühlen zu tun – was alle Ausführungen von Weber-Guskar zurück ins Spiel bringt. Sara Weber wirft die spannende Frage auf, mit wem wir KI-Führungskräfte vergleichen sollten. Wählen wir die besten, die schlechtesten oder die durchschnittlichen Chefs als “Vergleichsgrösse” (S. 150)? In diesem Vergleich müssten wir weiter berücksichtigen, dass schlechte Chefs viel kaputt machen können und als zentraler Grund gelten, warum Mitarbeitende künden. “Kann es nicht sein, dass ich lieber eine verständnisvolle KI zur Vorgesetzten hätte, als einen cholerischen Chef?” (S. 157).
In die Diskussion von Führung lässt Weber geschickt noch einen weiteren Aspekt einfliessen: Die Tatsache, dass junge Menschen heute wenig Lust zeigen, eine Führungsrolle zu übernehmen. Sie scheuen die Arbeit am Abend und am Wochenende, die öffentliche Exponierung, das Zerreiben in der Mitte der Organisation. In Deutschland ist es gemäss Weber gerade noch ein Drittel, das führen will. Diese Un-Lust stellt die ganze Pyramide der Arbeitswelt in Frage. Trotzdem sieht Weber den Einsatz von KI nicht als Patentrezept – vor allem weil Menschen Reibung, Konflikte und Krisen bräuchten, um zu wachsen (S. 157).
Zukunft heisst Erfahrungen mit Maschinen-Führungskräften zu sammeln. Sie könnten dort zum Einsatz kommen, wo das Kombinieren von Informationen und das rationale Entscheiden im Vordergrund steht. KI könnte Freiräume schaffen, damit mehr Zeit für die menschlichen Aspekte von Führung übrigbleibt. Menschliche Führungskräfte sollten zum einen Visionen und ethische Leitlinien entwickeln und zum anderen andere Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen.
Botschaft 3 Organisiert Arbeit neu
Weber macht in ihren Überlegungen zur künftigen Arbeitswelt eine interessante Analogie zur industriellen Revolution beziehungsweise zum Aufkommen der Elektrizität. Diese hätte ihren wahren «Boost» entfaltet, «als die Produktion neu organisiert wurde» (S. 182). Strom hätte es ermöglicht, die Maschinen nicht mehr nach ihrer Energieintensität «rund um die Energiequellen» aufzustellen. Sondern die Maschinen konnten nun so positioniert werden, wie es «für die Arbeitsabläufe am meisten Sinn ergab», «mit Fliessbändern und beweglichen Maschinen».
Um die ineffizienten Problemzonen der heutigen Arbeitswelt zu beschreiben, greift Weber auf Beispiele zurück. «Ist es produktiv, den ganzen Tag in Meetings zu sitzen, auf E-Mails zu antworten und Slack-Nachrichten zu schicken und erst am Feierabend Zeit für die eigentliche Arbeit zu haben» (S. 183). Diese Beispiele sind ebenso einleuchtend wie der Hinweis auf eine MIT-Studie, die besagt, dass Mitarbeitende ChatGPT bisher primär nutzen, um ihren Arbeitsaufwand zu reduzieren und viel weniger, um ihre Arbeit besser zu machen - etwa wenn KI beim «Brainstorming hilft» oder Entwürfe im «Ping Pong» verbessert werden (S. 188). Der relevante Baustein, den sie zu wenig ausarbeitet, ist wie Arbeitsstrukturen redesignt werden müssen, damit sich die Produktionsversprechen der KI tatsächlich realisieren.
Weber verweist auf Fake-Arbeit, die von Mitarbeitenden gemacht wird, weil sie sich nicht getrauen, zuzugeben, dass sie KI eingesetzt haben. Selbstverständlich muss es in der Arbeitswelt der Zukunft erlaubt sein, KI-Abkürzungen zu nehmen. Das ist eine gute Beobachtung, allerdings ein kulturelles Problem und kein organisatorisches. Was sich lächerlich anhört, dass Mitarbeitende «Arbeit spielen», um den Schein zu wahren, dürfte verbreiteter sein als man denkt. Um Arbeit neu zu organisieren, braucht es strukturelle Eingriffe – zum Beispiel das Verlagern von SYNC zu ASYNC, meetingfreie Tage aber auch die Anpassung von Jobprofilen. Das zeigt: So schnell wird sich die Arbeitswelt durch KI nicht verändern. Solche Anpassungen dauern eher Jahrzehnte als Jahre.
Zukunft heisst, zu verhindern, dass KI zu mehr Fake-Arbeit führt. Das setzt eine Re-Organisation von Arbeit voraus. Die Arbeitszeit von Wissensarbeitenden sollte maximal für komplexe, nicht repetitive und menschennahe Tätigkeiten eingesetzt werden. Hierzu muss Administration eliminiert oder an Maschinen delegiert werden, Abstimmungsprozesse sollten durch mehr ASYNC minimiert werden. Hierarchien müssen sich noch stärker zu Netzwerken entwickeln - ohne Parallelstrukturen zu etablieren.
Botschaft 4 KI birgt die Gefahr einer noch stärkeren Polarisierung
In ihrem Buch sammelt Weber Argumente, warum es zu einer stärkeren Polarisierung der Arbeitswelt kommen könnte - oder eben gerade nicht. Verschärft KI bestehende Ungleichheiten oder trägt sich zur «Rettung der Mittelschicht» bei? Für mich sind die Argumente für eine weitergehende Polarisierung überzeugender, zumal Weber für den Ausgleich auf den politischen Goodwill setzt. Technologie müsse «menschenzentriert, nicht profitzentriert» gebaut und genutzt werden, «sozial und gerecht, nicht diskriminierend und spaltend». Das aber setzt aus meiner Sicht neben Regulierung auch Massnahmen im Sinne des Limitarismus nach Ingrid Robeyns voraus (Steuern auf Kapitalmarktgewinnen und Erbschaften sowie auf den Gewinnen der Tech-Konzerne voraus).
Das Problem der Mittelschicht in den nächsten Jahrzehnten ist, dass KI Kreativ- und Wissensarbeit mit durchschnittlichen Anforderungen beziehungsweise durchschnittlicher Lösungsqualität sehr gut erledigen kann. Das ist dann der Fall (übrigens völlig übereinstimmend mit der Argumentation von Volland), wenn sie nicht etwas Neues schaffen soll, sondern eher Bestehendes weiterentwickelt. Und das ist in der heutigen Arbeitswelt sehr oft der Fall, gerade in verwaltenden Organisationen wie Versicherungen, Banken, Krankenkassen und Verwaltungen. Kaum jemand ist dazu angestellt, «um die Welt neu zu erfinden» – und wenn wir ehrlich seien, «ist das Ergebnis unserer Arbeit oft durchschnittlich» – und genau in diesem Bereich reüssieren ChatGPT & Co bereits heute sehr gut.
Was deutlich wird: Um zu den Gewinner:innen der KI-Transformation zu gehören, reicht es nicht, die neuen Wissensmaschinen nach Vorschrift zu «bedienen». Um wirklich gute Prompts zu schreiben und die Qualität der Ergebnisse zu beurteilen, braucht es Kreativität – und ich würde ergänzen: Kontextwissen. Um kreative Wissensarbeit abzuliefern, muss man gute, neue und originelle Fragen stellen können. Wer künftig nicht nur in der stillen Kammer sitzen will, müsse zudem « Räume einnehmen können», begeistern, überzeugen, motivieren und zum nachdenken bringen. Dazu braucht es T-Kompetenz: fachliche Fähigkeiten, um sich entweder sehr detailliert oder über die Zusammenhänge in einem Thema auszukennen sowie überfachliche Fähigkeiten, um dieses Wissen vermitteln, kombinieren und übertragen zu können.
Zukunft heisst, die Neugierde zu stärken; in der Schule, an der Universität, durch die Ausgestaltung der Arbeitswelt, durch Liebe zum Ort. Der Bedarf an T-Kompetenz verlangt, gleichzeitig in die Tiefe und Breite sowie fachlich und überfachlich zu wachsen. Um besser als die Maschinen zu sein, ist die Fähigkeit Fragen zu stellen unerlässlich – an sich, an KI-generierte Lösungen, an die Zukunft. Das bedingt ein Lernverständnis, das sich weg von der Vermittlung von Inhalten bewegt und sich eher an Erlebnissen und Entdeckungen orientiert.
Botschaft 5 Wertet Jobs auf, die unentbehrlich sind
Weber zitiert eine WEF-Studie laut der generative KI in drei Bereichen neue Jobs schaffen wird: Erstens für Menschen, die KI entwickeln, zweitens für Menschen, die KI erklären und drittens für Menschen, die dafür sorgen, dass KI bestmöglich eingesetzt wird. Dazu braucht es nicht nur Ethik und Regulierung, sondern auch hochwertigen Content (S. 175).
In den nächsten Jahrzehnten wird es gleichzeitig zu dieser hochqualifizierten Arbeit viele Jobs geben, für die KI keine Bedrohung darstellen wird. KI-Roboter sind entweder zu teuer, um sämtliche Arbeiten zu ersetzen oder bei einfachen manuellen Tätigkeiten überfordert. Weber zitiert das Beispiel von Robotern, die Wäsche zusammenlegen sollten und deutlich schlechter als Menschen abschneiden. Beim «Speed Folding» gelingt es dem neusten (ABB-)Roboter in einer Stunde immerhin 30 bis 40 Kleidungsstücke zu falten (S. 173). Jobs ohne KI wird es überall geben, wo Menschen und Maschinen Dreck, Abfall und Unordnung hinterlassen. Weiter wollen Menschen und Tiere gepflegt, geheilt und unterhalten werden.
Weber fordert uns auf, diese Jobs aufzuwerten – sie sind unentbehrlich damit eine Gesellschaft funktionieren kann (S. 163). Gleichzeitig sollten wir auf Bullshit-Jobs verzichten, auf Jobs, in denen sich Menschen langweilen, Fake Work spielen oder im Sinne von Harari die Infosphäre verschmutzen.
Zukunft heisst, der Polarisierung von Löhnen entgegenzuwirken. Dazu kann man bei den Mindest-, bei den Höchstlöhnen oder der Lohnspanne ansetzen. Um mehr kreative Dynamik im Arbeitsmarkt zu haben, sollte die Bogenkarriere vorgelebt werden und darauf verzichtet werden, Löhne jährlich ohne Grund und nur aufgrund des Alters zu erhöhen. Berufslehren für quereinsteigende Erwachsene sollten gefördert werden.