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Pink, Grün, Silber, Schwarz-Weiss – Die Zukunft der Arbeit nach der digitalen Transformation

mit Illustrationen von Karsten Petrat


Aus Wiederholungsschleifen ausbrechen

Wenn in den letzten Jahren jemand über die Zukunft der Arbeit schrieb, dann mehrheitlich vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Maschinen aller Art ziehen in die Unternehmen ein, die Arbeitsräume werden auf Innovation, Vernetzung und die Nutzung von Daten ausgerichtet. Neue Organisationsformen sollen die Veränderungsfähigkeit steigern. Weil die Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten weitere Veränderungen mit sich bringt, bleiben diese Gedanken durchaus aktuell. Trotzdem drängen sich neue Perspektiven auf, um die Zukunft der Arbeit zu denken.

Zum einen ist in der Auseinandersetzung mit dem Digitalen eine gewisse Ermüdung spürbar. So viele Kongresse, Sonderhefte und Workshops haben sich ihm verschrieben. Zudem überlagern in Europa gegenwärtig die Ängste die Hoffnungen vor einer Zukunft voller Plattformen, Drohnen und künstlichen Intelligenzen. Die so entstehenden negativen Kräfte verlangen allen Beteiligten viel Energie ab. Zum anderen ist durch Digitalisierung kaum noch Differenzierung möglich. Kunden und Mitarbeitende erwarten sie selbstverständlich.

Um neue Perspektiven zu entdecken, aus Wiederholungsschleifen auszubrechen und Denkblockaden aufzubrechen, greifen Trendforscherinnen zu Szenarien. In diesen rücken sie jeweils eine Perspektive in den Vordergrund und stellen diese absichtlich übertrieben dar. Es ist ein spielerisches Vorgehen. Wie in Super Mario Bros. taucht man durch Röhren in fremde Welten ab. Das hilft zu erkennen, wie die Zukunft sein könnte und überhaupt dafür zu sensibilisieren, dass es mehr als eine Zukunft gibt. Es werden Differenzierungspotenziale im Vergleich zur Konkurrenz, im Verhältnis zur Gegenwart sichtbar.

Die hier skizzierten Szenarien zur Zukunft der Arbeit orientieren sich an Innovationsparadigmen. Das Neue könnten das Fantasische, das Nachhaltige, die Gesellschaft der 100-Jährigen oder die Vergangenheit sein. Treiber der Paradigmen sind vier unterschiedliche Folgen der Fortschritte in den vergangenen zwei Jahrzehnten: a. der Aufstieg der Maschinen, b. gestresste Natur, Menschen und Organisationen, c. eine alternde Bevölkerung sowie d. die hohe Veränderungsintensität. Deshalb stehen die Szenarien stellvertretend für Varianten, um das Narrativ der digitalen Transformation zu ersetzen.

Aus den Innovationsparadigmen ergeben sich vier Pfade, um die Zukunft der Arbeit auszuloten. Sie werden mit vier Farben überschrieben: Pink, Grün, Silber und Schwarz-Weiss (vgl. Tab 1). Alle Szenarien sind postdigital angelegt. Sie gehen von einer Zukunft aus, in der sich der europäische Technologieskeptizismus ebenso wie der naive Hoffnungsmythos des Digitalen gelegt haben. Das heisst auch: In diesen postdigitalen Arbeitswelten sind die Errungenschaften der digital transformierten Arbeitswelt selbstverständlich geworden: Du-Kultur, Home-Office, digitale Arbeitsumgebungen, neue Organisationsformen.

    • Szenario
    • Pink
    • Grün
    • Silber
    • Schwarz-Weiss
    • Innovationsparadigma
    • Digitale Disruption
    • Green New Deal
    • Neue Biografien
    • Lust auf Vergangenheit
    • Treiber
    • Aufstieg der Maschinen
    • Übermässige Belastung
    • Alterung
    • Zukunftsangst
    • Managementfokus
    • Kreativität
    • Nachhaltigkeit
    • Vitalität
    • Wertschätzung

Abb 1. Überblick über die Szenarien


Der Aufstieg der Maschinen bewirkt im pinken Szenario eine höhere Nachfrage nach menschlicher Kreativität, übernehmen doch die Maschinen alle repetitive Arbeit. Im grünen Szenario strebt man in Folge der übermässigen Belastung von Mensch, Natur und Organisation nach Nachhaltigkeit. Das silberne Szenario verschreibt sich dem demografischen Wandel. Wir werden älter, unsere Biografien länger, das Verhältnis zwischen den Generationen wird auf die Probe gestellt. In diesem Szenario rückt das Design von Karrieren in den Vordergrund. Schliesslich gründet das schwarz-weisse Szenario in Zukunftsangst und damit den Folgen einer hohen Veränderungsintensität. Die Vergangenheit wird wiederentdeckt, Innovation rückwärtsorientiert, Zukunft ist ein Retro-Land.

Solche Szenarien sind interdisziplinär. Volkswirtschaftlich stehen Standortentwicklung, Infrastruktur und Service Public im Vordergrund. Politisch-ethisch geht es um die Wachstums- beziehungsweise Optimierungslogik des Kapitalismus. Betriebswirtschaftlich drehen sich die Überlegungen um Innovation, Kompetenzmanagement und Leadership. Diese Perspektive wird im Folgenden vertieft. Wie im Falle der Digitalisierung folgt auf das veränderte Innovationsparadigma eine umfassende Transformation. In der Sprache der Capgemini-Beratenden führt sie über Reframing, Restructuring, Revitalizing und Renewing.

In der grünen Transformation könnte es erneut zu Disruption kommen, auch bei früheren Disruptoren.

Szenario Grün: Green New Deal

Auf die digitale Transformation folgt die grüne! Klassisch bezeichnet man sie als “einen das ganze Unternehmen umfassenden Veränderungsprozess hin zu höherer Umweltverträglichkeit der unternehmerischen Tätigkeit”. Etwas offener definiert, zielt die Transformation darauf ab, Unternehmen am grünen Zeitgeist auszurichten und aus dieser Perspektive die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Stichworte sind Vegetarismus, Veganismus, Flugscham, Sharing Economy, aber auch Bionik – die Verschmelzung von Natur und Technologie. Grüne Transformation bedeutet, bestehende Konzepte wie Umweltschutz und Umweltmanagement mit neuen Begriffen aufzuladen und in Differenzierungsvorteile zu übersetzen.

Grüne Transformation kennt drei Treiber: Neue Märkte, neue Arbeitsplätze und neue Werte. Zum einen gibt es sowohl in den USA als auch in der EU den politischen Vorstoss eines Green New Deal. Gemäss Communiqué der EU handelt es sich um eine neue Wachstumsstrategie. Die EU soll zu einer „fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden“. Man kann diese Suche mitunter mit den negativen Effekten der Digitalisierung erklären. Digitalisierung heisst höhere Effizienz und sie bedroht Arbeitsplätze im Segment der mittleren Qualifikation. Aus europäischer Sicht ist ausserdem die Dominanz der USA und Chinas im Plattformkapitalismus zu beklagen.

Das Wachstum des New Deal soll die Umwelt weniger belasten als das jenes seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Zudem soll die alte Wirtschaft ökologischer werden. Bis ins Jahr 2050 möchten die Strategen keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freisetzen und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abkoppeln. Ein anderes Stichwort, das im Zusammenhang mit dem Green New Deal regelmässig fällt, ist die Dekarbonisierung, die Reduktion von fossilen Treib- und Treibstoffen beziehungsweise der komplette Verzicht auf fossile Energie. Offensichtlich braucht es hierzu grosse Infrastruktur- als auch Mindset-Veränderungen.

Der Ruf nach grüner Transformation ist nicht nur ökonomisch begründet – um Märkte und Arbeitsplätze zu erschliessen. Er ist auch Folge eines gesellschaftlichen Wertewandels.

Elemente des Green New Deal

Für Zukunftsguru Jeremy Rifkin stehen vier nach alten Mechanismen operierende Branchen im Zentrum des neuen Deals: Information- und Kommunikationstechnologien, Energie und Elektrizität, Logistik und Mobilität sowie Immobilien. Sie gelten als Hauptverursacher der Klimaerwärmung und stehen am stärksten in der Pflicht, grüner zu werden. Landwirtschaft und Ernährung geraten ebenfalls unter Druck. In der für die Urbanisierung zentralen Stadtentwicklung kommen alle erwähnten Bereiche zusammen. Andere Querschnittsthemen, die Interdisziplinarität einfordern, sind die Mobilität, das Gesundheitswesen oder eine Industrie gemäss den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.

Der Deal schafft neue Arbeitsplätze. Rifkin macht in seinem neuesten Buch deutlich, warum in dieser Transformation körperliche Arbeit unverzichtbar sein wird. Die alte Infrastruktur muss abgebaut, die neue aufgebaut werden – zum Beispiel Windräder und Hyperloops. Verlierer der digitalen Transformation könnten zu den Gewinnern der grünen gehören. Der Ruf nach einer grünen Transformation ist jedoch nicht nur ein ökonomischer begründeter – um neue Märkte und Arbeitsplätze zu erschliessen. Er ist auch Folge eines spürbar werdenden gesellschaftlichen Wertewandels. Plakativ kann man diesen der Fridays for Future Bewegung zuordnen. Sie fordert die Einhaltung des Pariser Abkommens und die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit.

In der Schweiz strebt man eine “Netto 0” von Treibhausgasemissionen ohne Kompensationstechnologien bis 2030 an. Zudem verlangt die Bewegung Regeln, damit der Schweizer Finanzplatz weniger in „klimaschädliche Unternehmen investiert“. Fridays for Future Deutschland wiederum will eine CO2-Steuer auf alle Treibhausgaemissionen einführen. Sie wird auf 180 Euro pro Tonne C02 beziffert. Umgerechnet würde zum Beispiel eine (Hin- und Rück-)Reise nach New York gemäss Angaben von “Tagesanzeiger” und WWF mit etwa 500 Franken besteuert werden. Das BAFU geht von doppelt so hohen Benzinpreisen wie heute aus.


Grüner Innovationsfokus

Ähnlich wie bei der digitalen Transformation drängen sich in der grünen Transformation Innovationen auf der Ebene der Prozesse, Angebote und Geschäftsmodelle auf:

    • Transformation
    • Innovationsfokus auf der Ebene der Prozesse
    • Innovationsfokus auf der Ebene der Angebote
    • Innovationsfokus auf der Ebene der Geschäftsmodelle
    • Innovationsfokus auf der Ebene des Kapitalismus
    • Digitale Transformation
    • Kostenreduktion durch Ausschaltung von Intermediären
    • Digitale Varianten von analogen Angeboten
    • Plattform mit nachfrageseitigem Ökosystem
    • Digitalisierung, Privatisierung und Datafizierung der Marktplätze
    • Grüne Transformation
    • Kostenreduktion durch reduzierte Emissionen, Ressourceneffizienz
    • Grüne Varianten von analogen und digitalen Angeboten
    • Plattform mit angebotsseitigem Ökosystem
    • Reduktion des Konsumtakts bei gleichzeitig höheren Preisen

Abb 2: Digitale vs. Grüne Transformation


In der Transformation der 2010er-Jahre standen digitale Pioniere am Ursprung der Disruption. Nun sind es die Grünen. Nicht alle haben dieselben Motive. Zum Beispiel will ein Teil der Veganer die Umwelt weniger belasten, andere wollen das Wohl der Tiere schützen. Dritten geht es im Sinne der Selbstoptimierung um ihre Performance. Stellvertretend für diese letzte Gruppe steht der von Arnold Schwarzenegger co-produzierte Film The Game Changers. Erneut schafft der Wandel Gewinner und Verlierer. Anders ausgedrückt: Der Wandel stösst nicht überall auf Freude. Wie die Digitalisierung fordert er Verhaltensveränderung ein.

In der grün-digitalen Logik könnten insbesondere Landwirtschaft, Ernährung, Energieversorgung, Mobilität oder der Tech-Sektor selbst neu definiert werden. Genauso wie die digitale stärkt die grüne Transformation gleichzeitig zentralisierende und dezentralisierende, kapitalistische und antikapitalistische Kräfte in der Ökonomie. Grüne Transformation heisst nicht zwingend Hippie-Wirtschaft, ganz im Gegenteil. So kann durch eine grüne Ernährungsplattform zwar die Nachfrage nach Eiern und Strickwaren aus dem Quartier zunehmen – doch möglicherweise wirkt diese neue Schnittstelle ebenso zentralisierend wie Amazon oder Alibaba. Ein grünes Google kann ebenso marktdominierend und gewinnorientiert sein wie das bisherige.

Die Präferenzen einer Randgruppe werden im Sinne der Punk-Innovation zum neuen Mainstream. Waren es in der digitalen Transformation die digitalen Pioniere, welche den Takt angaben, sind es nun die Grünen.

Wo aber liegen die Unterschiede zur digitalen Transformation? Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal könnte die Notwendigkeit profunder wissenschaftlicher Forschung sein. Einhörner mit 2010er-Jahrgang probieren häufig einfach aus. Aber bei Infrastrukturinnovationen wird “Try and Error” nicht möglich sein. Beispiele wie der Hyperloop illustrieren, wie grüne Disruption eher 25 oder gar 50 statt nur fünf Jahre bis zur Marktreife braucht. Im Unterschied zu Laptop-Start-ups setzt dies hohe Geldflüsse über lange Zeit voraus.

Angebotsseitige Ökosysteme könnten „The Next Big Thing" für Geschäftsmodellinnovationen sein. Kooperationen zielen dann nicht wie bei der digitalen Transformation auf die Erhöhung des Kundennutzens sowie das (digitale) Kundenerlebnis ab. Wichtiger wird das angebotsseitige Teilen von Ressourcen, Fähigkeiten, Mitarbeitenden und Daten – um den ökologischen Fussabdruck zu verringern. Sanken die Kosten in der digitalen Transformation durch digitale Prozesse, sinken sie nun durch Ressourcensharing. Um im Sinne von Systeminnovation den Kapitalismus ohne Negativwachstum grüner zu machen, müssten Produkte gleichzeitig langlebiger und teurer werden.

Infrastruktur der grünen Arbeitswelt

Die grüne Arbeitswelt hat stoffliche und menschliche Faktoren (vgl. Abb. 1). Zu den stofflichen Faktoren gehören das Emissionsmanagement, eine mit anderen Unternehmen geteilte Infrastruktur (Shared Infrastructure) sowie nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnologien (Green Tech). Grüne Arbeitgeber wollen die Umwelt weniger belasten. Sie verbrauchen weniger Papier, weniger Wasser, weniger Strom. Als Vorbild dient die Kreislaufwirtschaft inklusive Zero-Waste-Paradigma. Wesentlich für grüne Arbeitgeber ist folglich bereits der Bau beziehungsweise die Wahl eines Bürogebäudes. Grüne Gebäude produzieren beispielsweise durch Solarpanels eigene Energie, folgen dem Minergie-Standard und profitieren maximal vom natürlichen Sonnenlicht.

In einer grünen Arbeitsumgebung verlängern Unternehmen die Nutzungszyklen ihrer Möbel, setzen auf gebrauchte oder kompostierbare Einrichtung. Auch bei trivialen Dingen wie Putzmitteln und dem Drucken können Arbeitgeber Emissionen reduzieren. Grosse Unternehmen haben bei der Wahl des Verpflegungsanbieters viel grünes Potenzial. Man setzt auf vegetarische und vegane Ernährung, folgt dem Prinzip der saisonalen und regionalen Versorgung, kooperiert mit lokalen Anbietern, die möglichst wenig Abfall produzieren. Die Universität Zürich setzt mit Rämi 59 seit 2015 auf eine vegane Mensa.

All diese stofflichen Elemente der Arbeitswelt verweisen auf die hohe Bedeutung des Facility Managements in der grünen Transformation. Das ist ebenfalls der Fall, wenn Arbeitgeber mit anderen Unternehmen Infrastruktur teilen wollen. Das bisher dominierende Schlagwort in diesem Zusammenhang ist Co-Working. Künftig dürften Unternehmen neben Bürogebäuden inklusive Kaffeemaschinen ganz natürlich Firmenwagen, Serverfarmen, Ladestationen aber auch intangible Ressourcen wie Mitarbeitende und künstliche Intelligenz teilen. Das unterstreicht die Bedeutung einer Ökosystem-Strategie. Unternehmen werden künftig kunden- wie angebotsseitig als Netzwerke gedacht.

Ein mit der Informatik und HR geteiltes Querschnittsthema ist Green Tech. Es gilt zum einen zu prüfen, wie neue Technologien und Arbeitsmodelle das Arbeiten grüner machen. Home Office und Videokonferenzen senken die Pendlermobilität. Umgekehrt leidet der Auslastungsgrad der Gebäude (was den Bedarf an Co- und Multi-Nutzung erhöht), die Ansprüche an die digitale Infrastruktur steigen. In der Regel dürfte eine höhere Umweltbelastung daraus resultieren (durch Hardware und Datenspeicher). Green Tech heisst Hard- und Softwareanbeiter zu wählen, die sich dem Prinzip der Nachhaltigkeit verschreiben.

Abb. 3 Elemente der grünen Arbeitswelt


Fähigkeiten und Kultur der grünen Arbeitswelt

Die aus betriebswirtschaftlicher Sicht wohl wichtigste Komponente der grünen Arbeitswelt ist jene der Fähigkeiten. Ähnlich wie die Digitalisierung einen Skill Shift verlangte und neue Rollen wie die Social Media Managerin hervorbrachte verschiebt die grüne Transformation die Fähigkeiten, mit denen Unternehmen den Wettbewerb entscheiden. Die Verlagerung beeinflusst Recruiting, Weiterbildung und Employer Branding. Es rücken jene Kompetenzen in den Vordergrund des HRM, die es Unternehmen erlauben, vom Green New Deal zu profitieren und die Risiken einer vorgrünen Zeit abzubauen. Unternehmensgrün spricht von Green Jobs. Diese reduzieren die negativen Auswirkungen aufs Klima, „was zu ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Unternehmen und Volkswirtschaften führt“.

Berufsbilder finden sich gemäss dem Netzwerk Grüne Arbeitswelt in der ökologischen Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, Mobilitäts-, Tourismus- und Stadtentwicklung, im Recycling, der Abfallwirtschaft, im Umweltrecht oder den grünen Finanzen. Eine 2020-er-Studie des WEF identifizierte Techniker für Methan-Tankstellen und Windturbinen, „Green Marketers“ oder Manager von Solarenergie und Wasserspezialistinnen als besonders gefragte Berufe der Green Economy. Grüne Skills zielen darauf ab, den Energie- und Ressourcenbedarf zu reduzieren, Treibhausgasemissionen zu minimieren, Abfall und Verschmutzung zu meiden sowie ökologische Ökosysteme zu schützen. Verlangt sind in Unternehmen vor allem aber auch technische, rechtliche und konzeptionelle Fähigkeiten, um die Angebote, die Prozesse, die Geschäftsmodelle, die Arbeitsumgebung und die Kultur grün zu erneuern.

Wie in der digitalen Transformation ist HR auf der kulturellen Ebene gefordert. Erst dann werden die neuen Fähigkeiten zu Wettbewerbsvorteilen. Folglich braucht es dazugehörige Change-Programme. Dabei ist es eine strategische Frage, wie eng man die grüne Transformation verstehen will. Geht es nur um Ökologie oder auch um Sinn, Gerechtigkeit und Wellbeing? Denkt man regional, europäisch oder global? Je grüner man sich positioniert, desto wichtiger wird die Arbeitgebermarke. Potenzielle Mitarbeitende sollen ebenso wie die bestehenden erkennen, wie ernst es einem Unternehmen ist. In der Umsetzung des Kulturwandels, der immer auch eine die Optimierungslogik des Wirtschaftens tangiert, gibt es unterschiedliche Ansätze bezüglich Thema und Verhältnis zu den Eigeninitiativen der Mitarbeitenden.

PUMA fördert die Freiwilligenarbeit seiner Angestellten. Eines der vordefinierten Angebote verschreibt sich explizit der Ökologie. Andere Aktivitäten sind eher sozial ausgerichtet. Weiter geht der Kondom-Hersteller „Einhorn", der auf seiner Homepage aktiv zum Klimastreik auffordert. Schwierig wird es für das Management, wenn sich Mitarbeitende in grünen Fragen (unter Umständen medienwirksam) gegen ihren Arbeitgeber auflehnen und dies öffentlich kundtun – wie man dies gegenwärtig bei Amazon beobachten kann. Ob grün oder digital geprägt, dem Thema Employee Activism wird zumindest in der amerikanischen HR-Community vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt.

Das grüne Unternehmen ist ein Wald, alle seine Bestandteile sind voneinander abhängig.

Fazit: Grün führen

Abschliessend stellt sich die Frage, wo in der grünen Welt die Prioritäten beim Führen liegen. Auf der strategischen Ebene geht es darum, ein Unternehmen für die Märkte des Green New Deal und den Wertewandel einer nachhaltigen Gesellschaft bereit zu machen. Von den Chancen will man profitieren, Markt- und Reputationsrisiken durch nichtgrünes Verhalten vermeiden. Wie weiter oben gesehen, setzt dies Entscheide auf der Prozess-, Produkt-, und Geschäftsmodellebene voraus. Im Verhältnis zur digitalen Transformation ist zu prüfen, wo sich die beiden Bewegungen widersprechen und überschneiden. Diese Überlegungen sind besonders für das angebotsseitige Ökosystems entscheidend. Der Entscheid, mit welchen Partnern man aus ökologischen, strategischen und finanziellen Gründen Ressourcen, Fähigkeiten und Infrastruktur teilen will, rückt zur Kernfrage auf.

Will ein Unternehmen grüner werden, braucht es auf der Transformationsebene Kulturinitiativen und einen Skillshift. Bestehende Kompetenzen sind im Hinblick auf die grüne Transformation zu prüfen und gegebenenfalls einzukaufen oder zu erweitern. Auf der thematischen Ebene wiederum braucht es Mitarbeitende, die sich in grünen Themen eine Expertise erarbeiten, ihr Wissen im Unternehmen teilen und nach aussen tragen. Auf der Beziehungsebene heisst grüne Führung schliesslich, Mitarbeitenden darin zu unterstützen, weniger Ressourcen zu verbrauchen und ihre eigenen zu schonen. Gute Führung erhöht die Nachhaltigkeit der Arbeit von Mitarbeitenden. Das bedingt einerseits, alltägliche Belastungen wie Lärm, Administration, Sitzungen, unnötige Reisen, Stress und schlechte Ernährung zu reduzieren.

Kurzfristig erhöht sich die Effektivität des Arbeitseinsatzes, langfristig die Qualität und die Lust an der Arbeit. Wertvolle Arbeitszeit soll optimal eingesetzt werden und für diese so angenehm wie möglich sein. Im Zweifelsfall bedeutet dies: weniger Zeit im Büro zu verbringen, dafür aber produktiver und bei gleichem Lohn zu arbeiten, Stichwort: 4-Tage-Woche. Anderseits bedingt ein nachhaltiger Umgang mit Arbeit, das Wissen und die Netzwerke von Mitarbeitenden zu speichern. Dem Transfer von individuellen zu kollektiven Fähigkeiten ist mehr Bedeutung zu schenken. Das könnte heissen, die Netzwerke der Mitarbeitenden zu optimieren, die Informationsflüsse transparenter zu machen und dem gegenseitigen Lernen und Inspirieren mehr Zeit einzuräumen.

Das grüne Unternehmen ist ein Wald, alle seine Bestandteile sind voneinander abhängig.


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