HR Controlling Studie
Um was geht es?
Das Personalcontrolling hat in den letzten Jahren ständig an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird sich aus zwei Gründen verstärken. Erstens spielen die Mitarbeitenden und ihr Wissen in Zukunft eine noch grössere Rolle für den Unternehmenserfolg. Der Marktdruck und die gesteigerte Geschwindigkeit der Wirtschaft verlangen ständige Innovation. Das setzt dynamische Fähigkeiten voraus. Damit ist die Fähigkeit eines Unternehmens gemeint, sich ständig an neue Voraussetzungen anpassen zu können. Letztlich passiert dies immer über die Menschen in einem Unternehmen. Das macht es nötig, HR-Strategien und -Investitionen zu überprüfen und vom Controlling ausgehend, Massnahmen der Unternehmensentwicklung zu ergreifen. Zweitens führen die volatilen Märkte zusammen mit den düsteren Wirtschaftsprognosen dazu, dass die Kostenorientierung im HRM zunimmt. Dadurch wird auch der Einsatz der Human Resources verstärkt im Hinblick auf Kostenoptimierung, Effizienz und Effektivität beurteilt. Den Kosten soll ein Nutzen oder eine Verbesserung im Management des Humankapitals gegenüberstehen.
Ziel des HR-Controllings ist es, das Optimum aus der Ressource Personal herausholen. Es kann zwischen einer personalen und einer organisationalen Ebene des Humankapitals unterschieden werden. Auf der personalen Ebene umfasst das Humankapital die Fähigkeiten, Erfahrungen, Einstellungen und Werte der Humankapitalträger. Waren früher damit die Mitarbeitenden gemeint, so wird sich die Personalarbeit in Zukunft an allen Humankapitalträgern des Unternehmens ausrichten. Besonders gilt es externe Know-How-Träger wie Beraterinnen und Kundinnen stärker zu berücksichtigen. Die organisationale Ebene des Humankapitals bezieht sich dagegen auf die Prozesse, Strukturen und Kulturen eines Unternehmens, die sich auf die Produktivität und Innovationskraft des Humankapitals auswirken. Wesentlich im Hinblick auf die Beurteilung des Humankapitals ist die Frage, wie sehr die Beteiligten ihr Wissen teilen und ob es dem Unternehmen gelingt, eine lernfördernde Kultur zu schaffen. Zwischen der personalen und organisationalen Ebene des Humankapitals liegt das Wissen. Es klebt genauso an den Humankapitalträgern wie es in den Wissensspeichern des Unternehmens abgelegt ist. Vor dem Hintergrund flüchtiger werdenden Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Humankapitalträgern versuchen Unternehmen ihre Wissensbestände verstärkt sicht- und messbar zu machen. Um diese Aufgaben wahrzunehmen steht dem Controlling eine Vielzahl von qualitativen und quantitativen Instrumenten zur Verfügung. Die Instrumente sind dann gut gewählt, konzipiert und eingesetzt, wenn es ihnen gelingt, im Unternehmen Feedbackprozesse auszulösen. Feedback ist die Basis für Veränderung.
Aus dem HR Controlling resultiert das mitarbeiter- und wissensbezogene Reporting. Damit ist das «Berichtwesen einer Organisation» gemeint, das die managementrelevanten Informationen über das Humankapital bereitstellt. Es dient der Schaffung von Transparenz beziehungsweise der Übermittlung von Information. Dadurch werden Informationsasymmetrien verkleinert, Zusammen- hänge quantifiziert und vor allem Entscheidungsgrundlagen geschaffen. Das Controlling ist deshalb Teil des Wissensmanagements. Im Zentrum der Entscheidungsfindung des HR Controllings steht die humankapitalorientierte Unternehmensentwicklung. Diese wird beispielsweise durch die Veränderung der Unternehmenskultur, die Personalentwicklung oder das Talentmanagement konkret. Das Reporting ist auch aus der Investitionsperspektive von hoher Bedeutung. Wenn das Humankapital zur wichtigsten Ressource eines Unternehmens wird, will das Management wissen, wie es am besten in diese Ressource investiert und wie sich die Investitionen auswirken. Das im Controlling generierte Wissen dient dazu die Organisation zu steuern – wobei moderne Managementtheorien sehr deutlich auf die Grenzen dieser Steuerbarkeit hinweisen. Soll das Reporting langfristige Feedback- und Veränderungsprozesse auslösen, wird sich das Controlling in Zukunft an den Bedürfnissen, Wahrnehmungen, Verhaltensdaten und Leistungen des Individuums ausrichten. Organisationen und die Veränderungen in ihnen finden durch Individuen statt.
Die Weiterentwicklung des HR-Controllings fällt zusammen mit sich verändern- den Arbeits- und Organisationsverständnissen.
Die Weiterentwicklung des HR-Controllings fällt zusammen mit sich verändern- den Arbeits- und Organisationsverständnissen. Zusammengefasst wird die Hierarchie durch das Netzwerk abgelöst. Das führt zur Relativierung von Karrieremustern, Organisationsgrenzen, Anspruchsgruppenrollen, Führungs- und Managementansätzen. Das Personalcontrolling wird sich von der Vorstellung verabschieden, dass die Mitarbeitenden passive Befehlsempfänger ihrer Vorgesetzten und meinungslose Kunden des HR sind. Ähnlich wie die Kunden wechseln die Mitarbeitenden in einen aktiven Status. Als solche werden sie in Zukunft vermehrt Funktionen selber wahrnehmen, die früher das HR für sie erledigt hat. Sie werden sich auch die Freiheit nehmen, gewisse HR-Leistungen ausserhalb des Unternehmens zu beziehen. Wie die Kunden in der Marktforschung werden die Mitarbeitenden im HR-Controlling zum gleichberechtigten Gesprächspartner. Es gilt die Mitarbeitenden aktiv in die Entwicklung der Instrumente und in die Durchführung der Controlling-Aktivitäten Auswertung zu integrieren. Es ist insbesondere die Digitalisierung, welche dieser Veränderung Kraft verleiht und durch die sozialen Medien die entsprechenden Hilfsmittel bereitstellt.
Diese Studie ist in der Vorbereitung für ein Mandat im HR-Controlling entstanden. Es werden 12 Entwicklungslinien präsentiert, entlang derer sich das HR-Controlling in den nächsten Jahren entwickeln wird. Die Recherche basiert auf den angegebenen Quellen sowie 10 Experteninterviews. Die Befragten stammen aus der Verwaltung, der Privatwirtschaft, der Beratung, der Softwareentwicklung, der Forschung sowie der Markforschung.
Fazit
Dass das HR Controlling in Zukunft mehr als das Sammeln von Kennzahlen und das Überprüfen von Budgets umfasst, sollte auf den bisherigen Seiten deutlich geworden sein. Controlling ist ein Prozess und nicht ein einmal im Jahr stattfindes Projekt. Die primäre Aufgabe des Controllings ist es, Feedbackprozesse auszulösen, damit sich Individuum, Team und Organisation weiterentwickeln können. Die Instrumente müssen synchronisiert sowie von den Anwendern verstanden, akzeptiert und im Alltag angewendet werden, sollen sie ihre Wirkung entfalten.
Ziel des Controllings war es immer Transparenz über die Prozesse, Verhältnisse, Zustände, Entwicklungen und Werte des Unternehmens zu schaffen. Mit dem Internet erreicht die Transparenz durch die Messung realer Verhaltensdaten eine neue Dimension. Die Chancen liegen in der Weiterentwicklung der Organisation auf der Basis realer Daten, während die Gefahren in einer Verstärkung der Zahlenorientierung und im Glaube an vermeintlich einfache Wirkungsketten liegen, die eigentlich viel komplexer sind oder gar nicht existieren.
Die Transparenz birgt die Gefahr, dass Unternehmen neue Gründe erkennen, um Mitarbeitende zu segmentieren, allenfalls zu bestrafen und sich von ihren zu trennen. Die neue Transparenz kann Unternehmen, ihre Führungskräfte und Mitarbeitenden überfordern. Die Entwicklung eines auf Transparenz und Offenheit basierenden HR-Controllings macht nur dann Sinn, wenn es auf die entsprechende Unternehmenskultur trifft. Fehlertoleranz, Offenheit und Feedbackintensitität sind deren entscheidenden Merkmale.
Ein HR-Controlling, das sich als Teil der strategischen Unternehmensentwicklung sieht, Bestandteil der sozialen Medien sein will und über eine ausgeprägte Datenkompetenz verfügt, braucht neue Köpfe. Knapp und klar ausgedrückt: «Before HR can help the broader organization address strategic talent challenges, HR must first adress its own talent challenges». Neue Kompetenzen braucht es insbesondere in den Bereichen Geschäftsverständnis, Innovation, strategisches Denken, Analyse und Data Mining.
Es wird sich die Einsicht durchsetzen, dass das Controlling des Humankapitals nicht in der Personalabteilung angegliedert sein muss. Wichtiger als die organisationale Eingliederung sind die Kompetenzen und die gebotenen Leistungen. Externe Lösungen werden an Bedeutung gewinnen. Die Personalabteilung muss in den nächsten Jahren allerdings aufpassen, dass sie nicht allzu viele Aufgabenbereiche verliert, ansonsten wird sie sich bald auflösen. Das Controlling ist einer der Bereiche, für die sich eine starke Personalabteilung aktiv einsetzen sollte – gerade weil Zahlen immer noch ein Mittel sind, um sich beim Topmanagement Respekt zu verschaffen.
Die neue Transparenz mag verführerisch klingen, aber sie wird kein Wundermittel sein, das alle Probleme des Unternehmens löst. Der Mensch und noch viel mehr die Organisation sind komplexe soziale Systeme, die sich nur begrenzt in Zahlen ausdrücken lassen. Es gibt Dinge, die lassen sich weder beobachten, noch versprachlichen, noch messen. Genauso sind Organisationen Systeme, die wir steuern möchten aber genaugenommen niemals komplett steuern werden.
Interviewverzeichnis
- Hermann Arnold, Geschäftsführer umantis
- Dr. Frauke Bastians, Bereichsleiterin Organisationsforschung bei HEUTE UND MORGEN, Köln
- Tilo Dulkies, Personalcontroller, Personalamt Kanton Zürich
- Gian Paul Ganzoni, Head Human Resources Operations SwissRE
- Christian Havranek, Deloitte Human Capital
- Urs Klingler, Geschäftsführer klingler consultants
- Dr. Jan-Marek Pfau, Kienbaum Management Consulting
- Dr. Meinald Thielsch, Arbeitseinheit psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspychologie, Universität Münster
- Flurina Stöckli, Abteilungsleiterin Finanzen und Informatik, Personalamt Kanton Zürich
- Dr. Silvan Winkler, Research Manager Organisational Research, GFK